3. Juli, Neumarkt, »Antifa heißt eingreifen – Gegen Islamismus und seine Verharmloser:innen!«, Rede des AK gegen Antisemitismus und Antizionismus Mannheim e.V.


Erst einmal danke ich der Gruppe »Flying Fortress« für die Organisation, des Weiteren für das Angebot an den Arbeitskreis gegen Antisemitismus und Antizionismus, hier zu sprechen.

Ich nutze die Möglichkeit, um zum einen einige wesentliche Gemeinsamkeiten von Rechtsextremismus und Islamismus und zum anderen den Begriff »Islamophobie« in den Blick zu nehmen.

Wenn ich im Folgenden strukturelle Gemeinsamkeiten von Rechtsextremismus und Islamismus benenne, dann heißt dies selbstverständlich nicht, dass es keine gravierenden Unterschiede zwischen diesen gibt.

Doch beide Weltbilder, so lässt sich zusammenfassen, verbindet der Hass auf Aufklärung, Vernunft, Liberalismus, Demokratie und Individualismus, kurzum auf alles, das allgemein unter westlicher Moderne gefasst wird. Alain de Benoist, Kopf der französischen Neuen Rechten, hob in einem Interview mit dem NPD-Magazin »Hier und Jetzt« 2010 hervor, er sehe sich in seiner Identität durch den Westen mehr bedroht als durch den Mittleren Osten. Und er fährt fort: »Unsere Städte erinnern immer stärker an Los Angeles oder New York, nicht an Istanbul oder Tunis. Die größte Bedrohung unserer Identität ist keine andere Identität, sondern der politische Universalismus in all seinen Formen, der die Volkskulturen und unterschiedlichen Lebensstile bedroht ...«
»Präziser«, so konstatiert Volker Weiß, »lässt sich das Verhältnis von fremder Gegen-Identität und universalistischer Nicht-Identität kaum fassen.«
(Volker Weiß, Die autoritäre Revolte. Die Neue Rechte und der Untergang des Abendlandes, Stuttgart 2017, S. 219; hier findet sich auch das Zitat von Alain de Benoist)

Ideologische Grundlage des Rechtsextremismus ist das als homogen vorgestellte Volk, das in dieser Konzeption eine hierarchisch strukturierte organische Gemeinschaft bildet, in der der einzelne Mensch ausschließlich dem vorausgesetzten Volkswillen zu dienen hat. Hinzu tritt der als natürlich gedachte Wille zur Macht. Im Innern zielt er auf völkische Homogenität, nach außen auf strikte Abgrenzung. Volk und Raum werden mythisiert, soziale und politische Konflikte naturalisiert, Zuwanderung wird strikt abgelehnt.
Grundlegendes Axiom des Islamismus ist eine von Allah gegebene Ordnung, die von den Einzelnen Unterwerfung und absoluten Gehorsam fordert. Ziel ist eine weltweite Umma, eine identitäre Gemeinschaft der Gläubigen, in der die Menschen mit dem Gesetz Gottes, der Scharia, regiert werden. Um diese Umma durchzusetzen, muss auch konsequent der bewaffnete Jihad betrieben werden.
(Vgl. Samuel Salzborn, https://www.youtube.com/watch?v=gJJEqpcd65A, abgerufen am 26.6.2021)

Sowohl im Rechtsextremismus als auch im Islamismus geht das Absolutsetzen eines gedachten Kollektivs notwendig mit einem Identitätszwang einher, der sich nach innen mit dem Zwang zum Einschluss und nach außen mit dem Zwang zum Ausschluss darstellt. Dies bedeutet, dass eine freie, individuelle Entscheidung ausgeschlossen ist.

Rechtsextremismus und Islamismus ähneln sich in ihrem Hass auf alle Ideen der Aufklärung, die Freiheits- und Gleichheitsvorstellungen konsequent vom Individuum aus begründet und das Individuum als autonomes und vernunftfähiges Subjekt denkt. Dass die Freiheits- und Glücksversprechen der Aufklärung unter den Bedingungen kapitalistischer Vergesellschaftung nur bedingt eingelöst werden können, soll hier nicht weiter betrachtet werden, für eine emanzipatorische Gesellschaftskritik kann das aber nicht bedeuten, regressiv hinter die Ideen der Aufklärung zurückzufallen.

Rechtsextremismus und Islamismus treffen sich im Antisemitismus. In ihm artikuliert sich ein grundlegendes Denk- und Deutungsmuster, das Widersprüche oder Pluralität der Interessen in der Gesellschaft nicht zulässt, alles an der Gesellschaft Unverstandene und Ängstigende im »Juden« personifiziert und vermeintlich bekämpft. Insofern völlig Unterschiedliches als bekämpfenswert erachtet wird, können im Antisemitismus widersprüchliche Ressentiments und Wahnvorstellungen koexistieren. Und insofern Rechtsextremismus und Islamismus Erfahrung und Erkenntnis nicht zulassen, wenn sie den eigenen ideologischen Überzeugungen widersprechen, liegt es auf der Hand, dass Verschwörungsmythen ‒ prominent die »Protokolle der Weisen von Zion« ‒ nicht zuletzt im Sinn von Abwehr und Projektion wesentlicher Bestandteil dieser Ideologien sind.

Des Weiteren lassen sich Verknüpfungen von Antisemitismus und Antiamerikanismus feststellen, deren gemeinsamer Nenner in einer antimodernen Regression gesehen werden muss, wobei, wie Samuel Salzborn ausführt, »Antisemitismus und Antiamerikanismus jeweils variierende Negativprojektionsflächen für die homogenisierenden und kollektivierenden Phantasien des Rechtsextremismus wie Islamismus bilden«.
(Samuel Salzborn, Das Instrument des Antisemitismusberichts und die aktuelle Entwicklung von Antisemitismus in Deutschland, in: Anita Haviv-Horiner, In Europa nichts Neues? Israelische Blicke auf Antisemitismus heute, Bonn 2019, S. 20‒33, hier S. 25)


Muslim:innen und Menschen, denen zugeschrieben wird, muslimisch zu sein, erfahren in Deutschland Diskriminierung, sie sind mit Vorurteilen und Ressentiments konfrontiert.
Das zeigt sich in ‒ noch vergleichsweise harmlosen ‒ Begebenheiten, wenn z. B. eine medizinische Fachangestellte mit dem Nachnamen »Mansour« von einem Patienten gefragt wird, warum sie so gut deutsch spricht, oder wenn eine Abgeordnete ihren Kollegen, dessen Eltern aus der Türkei eingewandert sind, fragt, warum »sein Erdogan denn schon wieder dieses und jenes gemacht habe«.
Das zeigt sich des Weiteren an Bildungsabschlüssen, an ungleichen Arbeitsplatzchancen trotz gleicher Qualifikation und an schlechteren Chancen auf dem Wohnungsmarkt.
Rassismus ist der Beweggrund, wenn Polizist:innen nach einer Mordserie an acht türkischen und einem griechischen Kleinunternehmer einen rechtsextremen Hintergrund im Grunde ausschließen und zugleich Polizei und Medien die Exekutionen als Döner-Morde verharmlosen, die Täter im Umfeld der Opfer suchen und damit auch die Angehörigen stigmatisierten.
Und rassistisch begründeter Hass bis zum Äußersten ist das Motiv des Rechtsterroristen gewesen, der in Hanau neun Menschen ermordete.
Dass alle Formen des Rassismus ernst zu nehmen und zu bekämpfen sind, wird mittlerweile selbst von einem Gros bürgerlicher Konservativer nicht mehr geleugnet.


Jedoch: Lassen sich rassistische Haltungen gegenüber Muslimen mit dem Begriff »Islamophobie«, der auch von Teilen der Linken verwendet wird, beschreiben und fassen?
Wesentlich ist, dass der Begriff zumindest eine analytische Trennschärfe vermissen lässt, sodass er sich bestens als politischer Kampfbegriff eignet, um Kritik in emanzipatorischer Absicht abzuwehren. Auf diese Weise werden auch reformorientierte Muslim:innen wie z. B. die Frauenrechtlerin Seyran Ates oder der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide, nichtmuslimische, an aufklärerischen Prinzipien orientiere Kritiker:innen wie die Ethnologin Susanne Schröter ebenso wie die dringend erforderliche Religionskritik (das betrifft übrigens alle Religionen) als »islamophob« und rassistisch denunziert.

Luzie Kahlweiß und Samuel Salzborn weisen zu Recht darauf hin, dass die »egalisierende Verwendung des Begriffs Islamophobie«, die nicht »zwischen rassistischen Forderungen wie etwa der Unterstellung einer ›Islamisierung‹ Europas ... und berechtigten Forderungen wie etwa der nach Einhaltung der hiesigen Gesetze, im Besonderen in Bezug auf die Gleichstellung der Frau ...« unterscheidet, dazu führt, dass letztlich fast alle Schaden nehmen.

Und sie fahren fort: »Die Ausnahme bilden die radikalen Islamisten und die Rechtsextremisten ... Denn die tatsächlich vorhandenen rassistischen Vorbehalte ... werden durch die indifferente Verwendung des Begriffs Islamophobie letztlich befördert.«

Diese Verwendung ermöglicht nach Kahlweiß und Salzborn islamistischen Gruppierungen die Abschottung gegen jede Kritik, während rechtsextreme Akteure durch eine scheinbare Nähe zu demokratischem Gedankengut weiter um Akzeptanz werben können.
(Kahlweiß, Luzie H./Salzborn, Samuel: »Islamophobie« als politischer Kampfbegriff. Zur konzeptionellen und empirischen Kritik des Islamophobiebegriffs, in: Pfahl-Traughber, Armin (Hrsg.) Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung 2011/2012 (II), Brühl 2012, S. 248‒263, hier S. 263)


Zum Schluss noch eine Anmerkung zur Migration: Menschen verlassen ihre Herkunftsländer nicht, weil sie gut oder schlecht sind, sondern weil sie vor Krieg, Zerstörung, Hunger, Armut, Perspektivlosigkeit, Verfolgung – kurzum vor unmenschlichen Bedingungen ‒ flüchten. Ihnen Schutz oder Asyl zu gewähren, dazu hat sich Deutschland nicht nur durch die Unterzeichnung der Genfer Flüchtlings- und der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet, sondern das ist schlicht ein humanitäres Gebot.
Auseinandersetzungen aber, die aufgrund möglicher unterschiedlicher Haltungen erforderlich sind, nicht führen, sondern kultursensibel wegdefinieren zu wollen, ist nicht nur gefährlich, weil man damit, wie oben bereits ausgeführt, Islamisten und Rechtsextremen in die Hände spielt, sondern ethnisierend, letztlich rassistisch, da dem die Ineinssetzung von Individuum und Kollektiv zugrunde liegt.


Weitere Reden zu diesem Thema können hier nachgelesen werden.