Redebeiträge des Jungen Forums der DIG Rhein-Neckar, Mannheim anlässlich der Solidaritätskundgebung »Solidarität mit Israel – gegen antisemitischen Terror« am 16. Mai 2021 in Mannheim
I. Die Geister, die sie riefen
Liebe Freundinnen und Freunde,
vielen Dank für Ihr und euer zahlreiches Erscheinen. Zu Beginn möchte ich meine unbedingte Solidarität mit Israel und den israelischen Streitkräften ausdrücken, ihnen mazel tov bei ihren militärischen Operationen und dem dadurch erreichten Schutz der israelischen Bürgerinnen und Bürger wünschen -- dieser Schutz ist auch nötig, um die innerisraelischen Heilungsprozesse beginnen lassen zu können.
Ganz besonders sind meine und unsere Gedanken bei den Bürgerinnen und Bürger der israelischen Partnerstädte unserer Metropolregion: Haifa, Ramat Gan und Rehovot; aber ebenso auch bei den Menschen in Gaza, die von der Hamas und dem Islamischen Dschihad als menschliche Schutzschilde und instrumentalisierbarer Propaganda-Gegenstand missbraucht werden.
An die Zivilist:innen beider Seiten zu denken, heißt aber nicht, sich einer klaren Bewertung der Vorgänge zu entziehen. Gern wird behauptet, der Konflikt sei ja so komplex ‒ und klar, das ist er auch. Aber hinter diesem Wort sollte man sich nicht verschanzen, um eine deutliche Positionierung zu vermeiden. Die Hamas hat in ihrer Charta das Ziel verankert, alle Jüdinnen und Juden töten zu wollen; der Iran, der die Hamas auch bei den gegenwärtigen Angriffen mitfinanziert, hat die Vernichtung Israels zu seinem Staatsziel erkoren. Es gibt keinen Grund, bei Angriffen dieser Terrorgruppen auf Israel nicht an der Seite des jüdischen Staates zu stehen. Die Israel Defense Forces (IDF) sind die materielle Komponente des Satzes »Nie wieder«, der für Israel, wie für Jüdinnen und Juden überall, nur eines heißen kann: »Nie wieder Opfer, nie wieder wehrlos« sein.
Während unsere Solidarität mit Israel zwar wichtig ist, ist Israel glücklicherweise nicht darauf angewiesen. Anders verhält es sich in Deutschland. Wir haben in den letzten Tagen die Verbrennung der israelischen Flagge vor Synagogen in Münster, Solingen, Bonn und gestern in Mannheim bezeugen müssen; ebenso Angriffe auf die Synagogen in Bonn und hier in Mannheim. Vor der Gelsenkirchener Synagoge tobte ein antisemitischer Mob und grölte wüseste antisemitische Parolen und gestern ist in Mannheim ein antisemitischer Mob durch die Stadt gezogen ‒ dazu gleich mehr.
Viele Menschen sind schockiert. Viele Menschen sind überrascht. Die erste Reaktion, der Schock, ist verständlich, die zweite Reaktion zeugt von einem tiefer gehenden Problem. Sie zeugt von einer Ignoranz gegenüber Phänomenen wie dem al-Quds-Marsch, auf dem jährlich in Berlin solche Parolen gerufen werden. Ignoranz gegenüber dem städtisch geförderten Islamischen Zentrum Hamburg, das direkt den antisemitischen Mullahs aus dem Iran untersteht. Ignoranz gegenüber den Strukturen der türkischen Grauen Wölfe, Mili Görus und einem Ditib-Netzwerk, das der türkischen Regierung, also gerade dem Verschwörungsfanatiker Erdogan, untersteht und in vielen deutschen Städten ohne Prüfung als Dialogpartner gesehen wird.
Man hätte es wissen können und sollen. Überrascht sein ist nicht mehr angemessen. Städtische Strukturen in Deutschland haben auf ganzer Linie versagt, wenn sie mit solchen Organisationen lieber für interkulturelle Wohlfühlgespräche kooperieren, anstatt sie genau wie deutsche rechtsextreme Strukturen als Feinde einer demokratischen Ordnung zu bekämpfen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Interkulturelle Dialoge sind wichtig. Aber nicht mit solchen Gruppen. Nicht nur jüdische Gemeinden, auch kurdische und armenische Gruppen wissen das schon längst.
Diese Strukturen und Netzwerke mobilisieren maßgeblich für Demos, die sich als pro-palästinensisch begreifen. Was dabei herumkommt, ist leider allzu oft blanker Antisemitismus, Israelhass und wüste Bilder, wie wir sie in den vergangenen Tagen in deutschen Städten gesehen haben.
Auch in Mannheim hätte man vorher wissen müssen, was passieren wird. Der Aufruf zur gestrigen Demonstration wurde auf einem Instagram-Account geschaltet, dessen Profilbild den Umriss Israels im Muster einer Kuffiya zeigt. Dieses Symbol nutze auch schon Yassir Arafat, um den Wunsch auszudrücken, Israel von der Landkarte zu tilgen. Unter diesem Symbol eine Demonstration anzumelden, sollte in einem Land, das die Sicherheit Israels zur Staatsräson erkoren hat, nicht möglich sein. Die Veranstalter:innen genderten zwar durchgängig in ihrem Demo-Aufruf, sie distanzierten sich von Antisemitismus und Rassismus. Aber sie haben trotzdem konsequent das Wort Israel vermieden oder in Anführungszeichen gesetzt. Das ist ein Vernichtungswunsch, der verklausuliert daherkommt. In den Kommentaren unter den mittlerweile gelöschten Posts wurde das von prospektiven Teilnehmer:innen aber auch ausbuchstabiert. Bürgermeister, Behörden und Polizei hätten es wissen müssen.
Was dann gestern [15.5.2021] in Mannheim passiert ist, konnte ich als Augenzeuge bei der »Free Palestine«-Demo sehen: Hamasflaggen [Anm. d. Verf.: Nach neuerlicher Sichtung des Bildmaterials hat sich gezeigt, dass es keine Hamasflaggen waren, sondern lediglich grüne Flaggen mit gleichem Inhalt zu den Hamasflaggen, aber in anderer kalligrafischer Darstellung; sie sahen der Flagge der Hamas also lediglich zum Verwechseln ähnlich], Hisbollahflaggen, IS-Flagge [Anm. d. Verf.: Nach neuerlicher Sichtung des Bildmaterials hat sich gezeigt, dass es keine IS-Flagge, sondern die internationale Flagge des Dschihadismus war], Talibanflaggen. Hamas-Stirnbänder, Graue Wölfe, eine angezündete Israelflagge. Steine auf die Polizei. Auf der Bühne ein islamistischer Prediger, der den Zuhörer:innen eingetrichtert hat, dass es keinen Gesetzgeber außer Allah gebe und geben dürfe. Statt seiner zehnminütigen Rede hätte er auch einfach sagen können: »Ich erkenne den deutschen Staat und seine Gesetze sowie seine Verfassung nicht an.« Damit hätte er seine arg strapazierten Stimmbänder schonen können, die allzu laut »Allahu Akbar« grölen mussten. Er saß während dieser Rede übrigens auf dem Rücken eines Ordners der angemeldeten Demonstration.
Die Polizei stand daneben. Sie hat die Kundgebung vor Ort erlaubt, obwohl es viel zu viele dicht gepackt stehende Menschen und deutlich mehr als angemeldet waren, obwohl zu keinem Zeitpunkt Abstände eingehalten wurden. Obwohl verfassungsfeindliche Parolen gerufen wurden. Sie stand daneben und wollte beschwichtigen. Sie konnte die Flaggen nicht entfernen, weil ein Eckchen der arabischen Schrift entfernt war und die Flaggen der Terrorgruppen damit nicht mehr strafrechtlich relevant waren [Anm. d. Verf.: Diese Einschätzung wurde vor Ort mitgeteilt, war aber missverständlich, s.o.]. Als sie zaghaft eingriff, hatte sich der Mob schon kämpferisch formiert.
Die Veranstalter:innen haben geschrien und gestikuliert, aber sie konnten die Geister, die sie riefen, nicht beherrschen. Sie hätten vor ihrer eigenen, gefährlichen Unbedarftheit geschützt werden müssen, denn die Leute, die da kamen, waren zu erwarten. Es sind die Leute, die Juden und Jüdinnen mit dem Ruf »Kaybar Kaybar ya Yahud« mit dem Massaker drohen, wenn es eigentlich um ein besseres Leben für Palästinenser:innen geht. Es sind die Leute, die Israelflaggen verbrennen, die Steine werfen, die die Flaggen von antisemitischen Terrorgruppen vor sich hertragen. Es kam kein deutliches Wort von der Bühne, das diese Flaggen und die dahinterstehenden Gruppen explizit verurteilte. Als die Raketen, die aus Gaza nach Israel fliegen, angesprochen wurden, hat die Menge gejubelt. Anstatt spätestens dann erschrocken die Konsequenzen zu ziehen und die Veranstaltung zu beenden, weil man sich mit alledem nicht gemein machen will, ist nichts passiert und die Kundgebung ging unbeirrt bis zum behördlichen Abbruch weiter. Die Veranstalter:innen können nun noch so sehr beteuern, dass sie das nicht wollten, wie sie das in einem nichtssagenden Entschuldigungstext auf Instagram taten. Aber sie haben vor Ort nicht die Konsequenzen gezogen, sie haben nicht verstanden, wen sie mit ihrem Aufruf ansprachen und sie tun das wohl immer noch nicht [Anm. d. Verf.: Am 16.5.2021 wurde auf dem Account ein weiterer Text veröffentlicht, in dem die Veranstalter:innen schreiben, dass sie »mit Stolz auf den gestrigen Tag [schauen]«].
Diese Kritik an der gestrigen Demo, die auch für viele andere Demos unter dem Label »Free Palestine« gilt, steht dem Wunsch nach einem besseren Leben für Palästinenser:innen keinesfalls entgegen. Die Kritik ist vielmehr der erste entscheidende Schritt dahin. Damit sich die Lage in Gaza und dem Westjordanland verbessern kann, ist es unabdingbar, zu erkennen, dass die Misere nicht mit dem Handeln israelischer Regierungen beginnt. Stattdessen ist anzuprangern, dass in den Palästinensischen Autonomiegebieten Mahmud Abbas nunmehr im 14. Jahr seiner vierjährigen Amtszeit ist und demokratische Strukturen systematisch unterdrückt. Es ist anzuprangern, dass mit der Hamas eine Terrorgruppe regiert, die sämtliche Hilfsgüter und -gelder statt in die Verbesserung der Lebensumstände in Gaza in Raketen und Terrorinfrastruktur steckt. Es ist anzuprangern, dass demokratische und auf Koexistenz mit Israel ausgerichtete Initiativen in Gaza bestraft und verfolgt werden. Es ist einzufordern, dass palästinensische Flüchtlinge in ihren Zufluchtsländern Staatsbürgerschaft und Zukunftsperspektive erhalten. Kurzum: Wer Solidarität mit Palästinenser:innen in Gaza vorgibt, muss zuerst dafür streiten, die Hamas zu entwaffnen und zu entmachten. Ich erwarte sehnsüchtig die palästinasolidarischen Demos unter dem Titel »Trauer den Toten, Hass der Hamas«.
Nichts, was in Israel oder sonst wo geschieht, kann hingegen antisemitische Übersprungshandlungen, kann Angriffe auf Synagogen oder Todesdrohungen gegen Jüdinnen und Juden rechtfertigen. Im 19. Jahrhundert hielten Fortschrittsoptimisten den Antisemitismus für eine ungefährliche Spinnerei, die sich von selbst erledigen würde. Eine solch dramatische Unterschätzung war damals schon leichtsinnig und unhaltbar. Seit der fürchterlichsten Konsequenz des antisemitischen Wahns, die in Auschwitz und den anderen deutschen Vernichtungslagern Realität wurde, seit der massenhaften Liquidierung von Jüdinnen und Juden im Zuge der Shoah, ist Relativieren, Wegschauen, Nicht-Handeln nicht nur leichtsinnig. Es ist grob fahrlässig, geschichtsvergessen und schlicht falsch. Es kann kein »ja aber« und kein »aber man muss doch miteinander reden« geben, wenn der antisemitische Mob tobt; das Toben muss verhindert werden, indem die ihm zugrunde liegenden Strukturen zerschlagen werden. Das ist staatliche Arbeit und das ist auch die Arbeit jener gesellschaftlichen Kräfte, die sich als antifaschistisch verstehen.
Wir müssen Antisemitismus in all seinen Manifestationen entgegentreten, egal, wie er sich zeigt, egal, von wem er geäußert wird, egal, wer ihn praktiziert. Gegen die mörderische antisemitische Praxis der Hamas, des islamischen Dschihads, der Hisbollah und des Iran gibt es zum Glück die israelischen Streitkräfte der IDF. Gegen Antisemitismus in Deutschland ‒ ob von Neonazis, vermeintlich gemäßigten Rechten, Islamist:innen, der bürgerlichen Mitte oder antiimperialistischen Linken ‒ müssen wir aktiv sein und bleiben. Ich sage »wir«, möchte das aber nicht so verstanden wissen, dass die antisemitischen Angriffe in Deutschland irgendwie Angriffe »auf uns alle« seien, wie in vielen wohlmeinenden Kommentaren zu lesen ist. Es sind Angriffe auf jüdisches Leben. Leben, das sich entgegen aller äußeren Katastrophen 1700 Jahre lang hier behauptet hat. Jüdinnen und Juden dürfen mit diesen Vorkommnissen nicht allein gelassen werden und es ist am Rest der Gesellschaft, das sicherzustellen.
Free Gaza from Hamas! Am Israel Chai!
II. Die Kindheitsmörder aus Gaza
Liebe Freundinnen und Freunde,
auch ich freue mich – besonders nach den gestrigen Ereignissen – sehr darüber, dass sich doch einige Menschen hier eingefunden haben, um ihre Unterstützung mit dem jüdischen Staat und auch den Jüdinnen und Juden hier in Deutschland zu zeigen.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um über zwei Dinge zu sprechen: die deutsche Verlogenheit in Bezug auf den 8. Mai und über die sogenannte Solidarität mit den Menschen in Palästina.
Es ist gerade erst zwei Wochen her, da begangen wir in Deutschland am 8. Mai den sogenannten Tag der Befreiung. Man konnte von vielen Gruppen hören, dass das ein Grund zum Feiern sei, dass so etwas sich nie wiederholen solle uns so weiter und so fort.
Was gemeinhin ignoriert wird, ist die Tatsache, dass mit dem 8. Mai 1945 keineswegs alles irgendwie vorbei war.
Auch der Antisemitismus verschwand nach 1945 ja nicht einfach, sondern suchte sich innerhalb Deutschlands neue Artikulationsmöglichkeiten. Außerhalb Deutschlands wurde der Antisemitismus in seiner modernen, auf Vernichtung zielenden Variante zu einem Exportschlager, gegen welchen Israel sich heute noch Tag für Tag zur Wehr setzen muss.
Während wir also den Sieg der Alliierten über den Nationalsozialismus feierten, versuchen andernorts heutige Antisemit:innen dessen Kernprojekt, die Auslöschung der Juden, unbeirrt fortzusetzen 1.
Und im Hinblick auf diese, also im Hinblick auf das Verhalten Deutschlands gegenüber der Hamas, der Hisbollah und vor allem gegenüber dem antisemitischen Regime in Iran, welches eine existenzielle Bedrohung für Israel darstellt, lässt sich beurteilen, ob etwas aus der Geschichte gelernt wurde.
Der Gradmesser, um das zu beurteilen, ist nämlich keineswegs die politische Sonntagsrede oder der Versuch, um die Opfer der Shoah zu trauern, sondern das ganz reale Verhalten gegenüber Israel und dessen antisemitischen Feind:innen. Und hier fällt die Bilanz Deutschlands ungleich schlechter aus, als es in den schönen Reden von Schuld, Verbrechen und angeblichen Lehren anklingt.
Und auch wenn der alliierte Sieg über Nazideutschland selbstverständlich einen Grund zum Feiern darstellt: Der nationalsozialistische Vernichtungsantisemitismus und seine Vollstrecker leben auch heute weiter, aktuell feuern sie wieder Raketen auf Israel.
Damit komme ich zum zweiten Thema: der (vermeintlichen) Solidarität mit den Palästinenser:innen.
Und lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Die Solidarität mit Israel schließt die Solidarität mit den Menschen in den palästinensischen Gebieten nicht aus, sondern ist vielmehr die Grundlage für eine ernstgemeinte Solidarität mit ihnen.
Es dürfte mittlerweile aufgefallen sein, dass aggressiv-friedensbewegte Palästinafreund:innen nur dann entrüstet auf die Straße gehen, wenn sie sich irgendwie gegen Israel entladen können. Nur einige Beispiele: Die Nahost-Initiative Heidelberg ging nicht auf die Straße, als im Iran bei Demonstrationen Dutzende Menschen von den Revolutionsgarden getötet und in die Folterkeller des Ayatollah-Regimes verschleppt wurden, kein empörtes Wörtchen, nur ohrenbetäubendes Schweigen. Der Nahe Osten endete hier scheinbar am Persischen Golf. Auch für die Zustände in palästinensischen Flüchtlingslagern in Syrien oder dafür, dass seit 2011 Tausende Palästinenser:innen in Syrien getötet wurden und Hunderte in den Folterkellern Assads sitzen, interessiert man sich nicht. Der Nahe Osten endet in diesem Fall wohl an der syrischen Grenze.
Doch auch das Ausschweigen über die schwarze Pädagogik in den Palästinensergebieten oder über die Kindesmisshandlungen in paramilitärischen Terrorcamps der Hamas 2 spricht Bände über die sogenannte Solidarität mit den Menschen in Palästina. Denn um die Menschen geht es dabei überhaupt nicht. Vielmehr dreht sich die verlogene Solidarität um die Protagonist:innen selbst, genauer gesagt dient sie dem Ausagieren antisemitischer Reflexe. Das konnte man gestern hier in Mannheim beobachten.
Die Menschen, die als Objekte jener entmündigenden Solidarität auserkoren sind, werden lediglich zu einer Projektionsfläche. In sie hinein werden nun alle Sehnsüchte nach Freiheit, Wildheit und Widerstand projiziert. Sehnsüchte, denen in der Realität nicht im Geringsten entsprochen wird. Auf die Juden und Jüdinnen sowie ihren Staat wird als vermeintliche Gegner:innen dieser Freiheit wiederum alles Schlechte projiziert, sei es noch so realitätswidrig und absurd. Da diese antisemitische Projektion von einem Totalausfall der Reflexion begleitet wird, kommt den Palästinasolidarischen gar nicht in den Sinn, dass sich in ihrem Bild von der Situation vor allem ihr eigenes Wesen spiegelt, nicht aber die Realität. 3
So ist es nur folgerichtig, dass eine derart wahnhaft-narzisstische Scheinsolidarität sich um die einzelnen Menschen in Gaza nicht schert, was das Schweigen ihrer Protagonisten zu den Protesten gegen die Hamas im Gazastreifen erklärt. Auch die Kinder, die man ja in besonders aggressivem Tonfall vorgibt zu beschützen, sind in Wahrheit die Opfer einer solchen vermeintlichen Solidarität. Sie werden vor den Augen ihrer vorgeblichen Beschützer:innen der schwarzen Pädagogik in den Palästinensergebieten und den Terrorcamps der Hamas im Gazastreifen überlassen.
In jenen Camps werden die Kinder zur Härte erzogen, sie werden ihrer Kindheit beraubt und fortan einem Drill unterworfen, der jede Regung zu brechen und zu unterdrücken weiß. Die ganze aufgestaute Wut, die sich während einer solchen Kindheit und Jugend ansammelt, fliegt dann jenen in israelischen Bussen oder sonst wo buchstäblich um die Ohren, die man von Beginn an zu hassen gelernt hat: Dann, wenn das gedrillte Kind zum Märtyrer wird, ist die Erziehung der Hamas erfolgreich abgeschlossen.
Aber nicht nur in den Terrorcamps der Hamas werden die Kinder auf den Dschihad und den Judenhass eingeschworen, auch an den Schulen (nicht nur im Gazastreifen, sondern auch in den Autonomiegebieten) findet Erziehung in diese Richtung statt.
2017 hat die Palästinensische Autonomiebehörde neue Schulbücher herausgegeben. Israelis und Juden werden in den Schulbüchern als Wölfe und Schlangen, als existentielle Feinde des Islam und Todfeinde der Palästinenser dargestellt 4. Sie werden als Verursacher alles Bösen und Schlechten gezeichnet, als Kindermörder, als Schuldige an Massakern, Schuldige an der Vernichtung der palästinensischen Kultur und Identität, an den sozialen und ökonomischen Missständen in den Palästinensergebieten, sogar an innerfamiliärer Gewalt und am Drogenkonsum innerhalb der palästinensischen Gesellschaft sollen die Israelis schuld sein 5.
Von Selbstkritik oder gar dem Versuch, die Beweggründe der Israelis, z.B. jene für den Bau einer Mauer an der Grenze, den Schülern näher zu bringen, ist keine Spur. Auch ein Plädoyer für Koexistenz und Frieden sucht man vergeblich 6. Vielmehr wird zu einem bewaffneten Kampf erzogen, in dessen Zuge nicht nur der Gazastreifen und die Westbank, sondern explizit auch israelisches Kernland in den Grenzen von 1948 (z.B. Haifa und Jaffa) von den »Zionist:innen« befreit, also von den Juden und Jüdinnen gesäubert werden sollen. In den höheren Klassenstufen wird dem »Befreiungskampf« schließlich ein religiöses Motiv an die Seite gestellt und für den Dschihad samt Märtyrerkult gerüstet. Lobesreden auf sogenannte Märtyrer, die als Nationalhelden gefeiert werden, finden sich zuhauf in den Schulbüchern 7. Auch Terrorangriffe werden dort glorifiziert. Zum Beispiel wird ein Angriff mit Molotowcocktails auf einen israelischen Bus als »Barbecue Party« bezeichnet 8. Auch die Schulen selbst sind nach Terroristen oder gleich nach dem ehemaligen Großmufti von Jerusalem, Amin al Husseini, einem fanatischen Antisemiten, Vertrauten Adolf Hitlers, Befürworter der Endlösung und der Vernichtungslager, benannt 9.
Wem es also ernst ist mit dem Schutz von Kindern und – damit untrennbar verknüpft – von Kindheit als zivilisatorischer Errungenschaft, der muss diese schwarze Pädagogik, die Erziehung zu Unmündigkeit, Antisemitismus und Märtyrertum, die Abrichtung von klein auf in paramilitärischen Terrorcamps und das damit einhergehende Brechen der individuellen Persönlichkeit der Kinder aufs Schärfste kritisieren und bekämpfen. Und genau das tun die selbsternannten Palästinenser-Freund:innen nicht. Kein müdes Wörtchen über all diese Kindesmisshandlungen findet sich bei ihnen. Die Empathielosigkeit gegenüber diesen Kindern und späteren Jugendlichen, die sie in ihrem blinden Hass gegen Israel immer wieder an den Tag legen, machen sie in der projektiven Anklage des »Kindermörders Israel« in aggressiv-selbstentlarvendem Ton jenen zum Vorwurf, die sich noch nicht damit abgefunden haben, dass es zur normalen Biografie palästinensischer Jugendlicher gehören soll, sich in einem israelischen Bus mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft zu jagen.
Solidarität mit den Menschen in Palästina, der es tatsächlich um die Menschen und nicht nur um sich selbst oder um einen Vorwand für antisemitische Ausfälle geht, wäre daher das genaue Gegenteil dessen, was die heutigen Palästinasolidarischen veranstalten. Sie wäre ein entschiedenes Einstehen an der Seite Israels, die Antisemitismus nicht verklärt oder rechtfertigt, sondern ernst nimmt und daher zwangsläufig an der bewaffneten Selbstverteidigung des jüdischen Staates festhält. Sie wäre aber eben auch ein Kampf gegen die Hamas, die Fatah, ihre schwarze Pädagogik und all ihre Verteidiger:innen und Schönredner:innen, die sich mit einer vermeintlichen Solidarität schmücken, die in Wahrheit den Menschen, die sie benötigen würden, in den Rücken fällt.
Solidarität mit Israel und »Free Gaza from Hamas« gehören deshalb zusammen. In der Hoffnung, dass Antisemiten irgendwann keinen Zugriff mehr auf Kinder und Jugendliche haben.
Anmerkungen und Literatur:
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Vertiefend: Grigat, S. (2012). Postnazismus in Zeiten des Djihad. Modernisierte Vergangenheitsbewältigung, die Konkurrenz der Antisemiten und die FPÖ nach Jörg Haider. In ders. (Hrsg), Postnazismus revisited. Das Nachleben des Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert.(2., erweiterte und geänderte Auflage, S. 9-46). Freiburg: Ça ira. ↩
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vgl. z.B.: https://www.audiatur-online.ch/2017/08/14/das-motto-der-diesjaehrigen-hamas-sommercamps-marsch-auf-jerusalem/ [letzter Zugriff am 14.05.2021] ↩
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Vertiefend zum projektiven Charakter von Antisemitismus siehe auch vor allem die Seiten 196-217 bei Horkheimer, M. & Adorno, T.W. (1993). Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente. Frankfurt am Main: Fischer. ↩
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vgl. https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/schulbuecher-rufen-zu-terroranschlaegen-auf-wie-deutschland-antisemitismus-mitfinanziert/26262170.html [letzter Zugriff am 16.05.2021] ↩↩↩
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vgl. https://www.audiatur-online.ch/2017/03/16/der-gazastreifen-israel-und-die-drogen/ [letzter Zugriff am 16.05.2021] ↩
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vgl. ebd. und https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/in-palaestinensischen-schulbuechern-existiert-israel-nicht-15081678.html [letzter Zugriff am 16.05.2021] ↩
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vgl. https://www.audiatur-online.ch/2017/01/30/schlachtfeld-erziehungssystem/ [letzter Zugriff am 15.05.2021] ↩